Frau C., 44 Jahre alt, hatte seit Monaten immer wieder Oberbauchschmerzen. Es war eine Hand in ihrem Oberbauch, die sich bei Frust in ihr zur Faust zusammenballte. Ihr Magen lag in dieser Hand. Die Finger und der Daumen umschlungen ihn locker. Aber immer wenn sie Stress hatte oder etwas aß, begann die Hand sich zu verkrampfen. Finger und Daumen begannen sich zu einer angespannten Faust zu schließen und quetschten so ihren ganzen Magen zu einem kleinen Pappierknüddel zusammen. Vor Bauchschmerzen musste sie sich dann krümmen. Wenn ihr Magen gefüllt war, drückte die Faust den Mageninhalt an den Öffnungen raus. Wie eine Apfelsine, die gepresst wird. Der eine Teil entwich nach oben in die Speiseröhre und bereitete ihr Übelkeit und manchmal auch Erbrechen, der andere Teil wurde in den Darm gedrückt. Diese Muskelanspannung der Faust spürte sie auch in der restlichen Muskulatur und sie machte sich in ihrer Stimmung breit. Sie war leicht reizbar und sprang schnell aus der Haut. Ihre Nackenmuskeln waren verspannt und führten zu Kopfschmerzen. Morgens wachte sie häufig mit einer total verspannten Kiefermuskulatur auf. Vom Zahnarzt hatte sie eine Biss-Schiene. Die innere Anspannung ließ sie nicht schlafen, sie war fertig.
Ihre Lebensumstände hatten den Frust in ihr wachsen lassen. Sie war beruflich als Grundschullehrerin sehr eingespannt. Sie war pflichtbewusst und gewissenhaft, sie hatte hohe Selbstanforderungen, was ihren Beruf anging. Ehemann, zwei Kinder, Schule, Haushalt und Haus waren mit viel Organisation noch so gerade zu schaffen. Die Demenz-Erkrankung ihres Vaters brachte dann das Fass zum überlaufen. Ihre Mutter kam mit der Krankheit nicht zurecht. Ihr Vater musste ins Heim. Und nun war sie für alles zuständig: Heimunterbringung, Gespräche mit den Ärzten, der Heimleitung, dem Personal, regelmäßige Besuche im Heim. Die Mutter jammernd über das Alleinsein, auch hier musste einiges neu organisiert werden.
Das war zuviel. Dies ließ die Hand in ihr sich zur Faust zusammenballen. Der Schmerz im Oberbauch wurde unerträglich, langsam bekam sie Angst. Eine Magenspiegelung und ein Ultraschall vom Oberbauch gaben Entwarnung. Kein Tumor, nur eine leichte Magenschleimhautentzündung (Gastritis). Der Rest der Untersuchungen war ohne Befund. Unter einem Säureblocker, Omeprazol, wurden die Schmerzen nur unwesentlich besser. In einer Kontroll-Magenspiegelung war die Entzündung nicht mehr nachweisbar, trotzdem blieben der immer wiederkehrende krampfartige Magenschmerz und die Übelkeit. Ihr wurde dann die Diagnose Reizmagen unterbreitet. Sie hatte kaum noch Appetit, aber sie hatte ja auch keine Zeit zum Essen. Der schlechte Schlaf und die Verspannungen blieben ebenfalls. Wie sollten sie auch von einer Magentablette weggehen. Eine Freundin empfahl ihr meine Praxis.
Frau C. war zu Beginn derTCM Behandlungnervlich und körperlich am Ende. Sie war gar nicht mehr in der Lage zu agieren, sondern sie konnte nur noch reagieren. Die Hand in ihr und die Hand des Lebens hatten sie fest im Griff. Daher war sie auch bereit, alles zu tun, um schnell wieder auf die Füße zu kommen. Wir begannen mit Akupunktur und Heilkräutern. Wir führten viele Gespräche über ihre Situation, den Stress, ihre Überforderung und vieles mehr. Sie begann daraufhin parallel eine Gesprächstherapie. Auch wenn sie für all dies eigentlich überhaupt keine Zeit hatte, richtete sie es sich ein, da sie merkte, dass sie sich nur so befreien konnte. Zur Akupunktur kam sie sogar gerne, da sie die entspannende Wirkung genoss und danach besser in den Schlaf fand. Die Akupunktur senkte nicht nur die Spannung der Hand, die ihren Magen umschloss und damit ihren Bauchschmerz verursachte, sondern auch ihre Nacken- und Kiefermuskulatur. Ihre innere Anspannung ließ nach. Auch die Heilkräuter waren wohltuend. Es ging ihr einfach besser unter der Behandlung. Selbst Familie und Kollegen fiel ihre bessere Laune auf.
Müde war sie immer noch, aber nicht mehr so ausgeprägt. Zumindest reichte ihre Energie, mit Hilfe der Rückendeckung von Gesprächstherapie für einige Änderungen ihres Lebens: Sie reduzierte ihre Stundenzahl in der Schule, lehnte Sonderaufgaben konsequent ab, organisierte der Mutter für das Gröbste eine Haushilfe und Essen auf Rädern. Den Vater besuchte sie nur noch einmal in der Woche, anstatt dreimal. Schwester und Bruder wurde ebenfalls in die Versorgung mit einbezogen. Kinder und Mann mussten zu Hause mehr Aufgaben übernehmen. Sie lernte „Nein“ zu sagen und machte ihrer Umgebung klar, dass sie nicht das Dienstmädchen für alles war. Und immer wenn sich die Faust in ihr zusammenballen wollte, lernte sie „Nein“ zu sagen.
Nun war auch wieder Zeit da, sich ums Essen zu kümmern. Die Ernährungsanleitung half ihr, das Essen so zu gestalten, dass sie es besser vertrug und merklich Energie tanken konnte. Dabei schmeckte es und passte auch in ihren Alltagsablauf.
Auch wenn sie einiges wegorganisiert hatte, lief nicht immer alles rund. Was sie dann an ihrem Wohlbefinden merkte. So gab es schon mal Rückschritte, aber die waren dank der Behandlung auch schnell wieder überwunden. Die Behandlung dauerte zwölf Monate. Danach war sie stabil.
Frau C. bekommt von Zeit zu Zeit für zwei oder drei Wochen entspannende Heilkräuter oder ein paar Sitzungen Akupunktur. Immer wenn sie merkt, dass sie die Reißleine ziehen muss. Und sie hat gelernt, diese früh genug zu ziehen. So bestimmte sie und nicht die anderen, was mit ihr geschieht.
Frau S., 32 Jahre alt, schenkte ihr ganzes Herzblut der Schauspielerei. Sie tanzte, sang und schauspielerte mit Leib und Seele. Alles andere in ihrem Leben ordnete sie dem unter. Und sie hatte es geschafft. In der Branche hatte sie sich einen Namen gemacht, sie war gefragt. Der Weg dahin war lang und steinig gewesen. Anscheinend musste sie gerade ihren Wegzoll dafür zahlen, der ihre Schauspielerkarriere ernsthaft gefährdete. Sie hatte immer wiederkehrende Magenschleimhautentzündungen mit bohrenden Schmerzen in der Magengegend, kombiniert mit Beklemmungen. Es war wie ein breiter Gürtel, der um ihre Taille und den unteren Brustkorb gezogen war. Hinter der Gürtelschnalle war ein faustgroßer Stein angebracht. Der Gürtel war meistens eng zugezogen. Er schnürte ihr alles ab und drückte der Stein hinter der Gürtelschnalle in ihre Magengrube. Es nahm ihr die Luft weg. Die Enge hinderte sie am Einatmen. Ihre Lunge konnte sich nicht mehr entfalten, ihr fehlte das Volumen zum Sprechen und Singen auf der Bühne. Ihre Bewegungen wurden verkrampft und abgehackt. Sie konnte tagelang nichts essen. Der Gürtel lockerte sich auch nicht nachts, sodass er ihren Schlaf störte. Der Schmerz, die mangelnde Nahrungsaufnahme und das Schlafdefizit machten sie völlig fertig und zermürbten sie.
Die Untersuchungen hatten eine chronische Gastritis mit Bakterienbesiedlung ergeben. Sie war erfolgreich mit mehreren Antibiotika und Magenmittel behandelt worden. Trotzdem bekam sie diesen Gürtel nicht los. Sie hatte ihn immer an. Und in gewissen Abständen zog sich der Gürtel Loch für Loch zu. Es wurde die Diagnose Reizmagen gestellt.
Frau S. wusste sehr genau, wer ihr diesen Gürtel, mit dem Stein hinter der Gürtelschnalle, verpasst hatte. Es war ihr Werdegang und all die Widerstände, die sie hatte überwinden müssen. Die Eltern hatten sie nie unterstützt. Sie hatten es nie ausgesprochen, aber es stand in ihren Gesichtern. Sie waren ein ewiges Mahnmal mit der Inschrift: „Unser Tochter ist eine Versagerin, da sie einer brotlosen Kunst verfallen ist, der Schauspielerei“. Auch heute hatten ihre Eltern immer noch einen erhobenen Zeigefinger. Es gab ständig Auseinandersetzungen. Mehrere Schauspielschulen hatten sie abgelehnt. Aber eine hatte dann doch ihr besonderes Etwas bemerkt. Das Geld dafür hatte sie sich durch Kellnern und sonstige Jobs verdient. Sie hatte immer mehrere Jobs nebeneinander gehabt, damit sie über die Runden kam. Ihre Eltern hatten sie nie, weder moralisch noch finanziell, unterstützt. Ihre Partnerschaft war auseinander gegangen. Ihr Freund war ebenfalls Schauspieler, aber nicht so erfolgreich und gefragt wie sie. Dies hatte die Beziehung nicht ausgehalten. Auch mit Kollegen gab es immer wieder Konkurrenz und unschöne Szenen. Ihr Gürtel setzte sich aus all diesen Teilabschnitten zusammen. Der Stein waren ihre Eltern.
Trotzdem hatte sie es geschafft. Sie war oben. Und jetzt drohte die Vergangenheit ihr alles abzuschnüren. Ihre Kritiken wurden schlechter. Zwei Engagements hatte sie nicht bekommen, weil sie den Anforderungen nicht entsprochen hatte. Sie war auch einfach schlechter geworden. Sie musste sich von diesem Gürtel befreien. Sie musste den Schmerz, die Enge und die Beklemmung loswerden, um wieder frei zu sein für das, was sie liebte. Tabletten nahmen ihr den Schmerz aber nicht den Gürtel ab. Eine begonnene Gesprächsbehandlung hatte bisher den Gürtel nur ein Loch weiter gemacht. Es musste schneller gehen. Daher kam sie auf die TCM.
Es war nicht nur wichtig, ihr Enge und Schmerz zu nehmen, sondern sie auch gleichzeitig aufzubauen. Durch den Schmerz, das nicht essen, nicht schlafen und gleichzeitig aber weiterspielen, hatte sie viel Energie und Kraft verloren. Um den Gürtel zu sprengen, brauchte sie aber Kraft, viel Kraft. Ihr Geist musste wieder Frieden finden. Frieden gibt es aber nur in Zeiten des Überschusses. Das fehlte ihr. Wir begannen die Behandlung über Akupunktur und Heilkräuter. Beide Verfahren konnten das leisten. Die Akupunktur und die Heilkräuter lösten die Enge, ließen die Lunge sich wieder entfalten, den Brustkorb sich öffnen, die Seele Ruhe finden. Der Stein in ihrer Magengrube zerbröckelte, zunächst in kleine Brösel, später zu Staub, den der Wind wegwehte. Die Heilkräuter und Akupunktur gaben ihr die nötige Kraft dazu. Sie konnte wieder essen. Und mit einer etwas veränderten Ernährung wuchsen ihre Energiereserven zusehends. Nun kam sie auch in der Gesprächstherapie schneller vorwärts. Ihre körperliche Energie und die geistige Stabilität konnten den Gürtel um ihre Taille sprengen und den Stein in Staub auflösen. Diese Befreiung brachte ihr Beschwerdefreiheit, ein neues Engagement und einen neuen Partner. Ihre Beziehung zu ihren Eltern blieb schwierig, aber ihr gelang es jetzt besser, deren Ermahnungen von sich abprallen zu lassen.
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